Von Alona Beach aus machen wir uns auf den Weg nach Loboc, wo das nächste Dschungelabenteuer auf uns wartet. Das ‚NutsHuts‘, unsere neue Unterkunft, ist auf Bohol sowas wie eine Institution und wird im Lonely Planet-Reiseführer etwas großspurig als Backpacker-Shangri-La bezeichnet. Ich bin sehr gespannt, denn eigentlich ist das alles nichts weiter, als eine Ansammlung von Nippa-Hütten und einem Restaurant am Loboc River. Kein (zuletzt liebgwonnener) Luxus, kein Strand, keine AirCondition, vielleicht kein Strom.
Schon die Busfahrt wird großartig. Nachdem wir das Chaos vor dem Busterminal bewältigt haben (vor Busterminals und an Häfen reden immer 5 Leute gleichzeitig auf dich ein) und den richtigen Bus gefunden haben, steigen wir zunächst ohne Fahrkarte ein und lassen uns ausführlich von einer alten Frau erklären, wie Busfahren auf den Philippinen funktioniert. Auf einem riesigen Flatscreen über dem Fahrer läuft Karaoke. 80er scheinen mega hip zu sein hier und vor allem bei Scorpions singen einige im Bus aus spontaner Begeisterung mit.
Von Loboc Town aus gehts dann 3 Kilometer mit der Bangka über den türkisgrünen Fluss zum NutsHuts. Das ‚Hippie-Resort‘ besteht tatsächlich nur aus einem dutzend Nippa-Hütten am Flussufer, gelegen unter sich im Wind wiegenden Kokospalmen, und einem etwas höher gelegenen Restaurant mit tollem Blick auf den Dschungel und das enge Tal. Nach Check-in und Chill-Pause schwimmen wir den restlichen Tag auf dem Loboc zu den Wasserfällen in der Nähe, planschen im Wasser und lassen uns von den asiatischen Touristen-Kollegen auf den vielen Restaurant-Booten fotografieren, die neben uns zum Wassserfall fahren. Auf einer Bühne tanzen die Einheimischen für jedes vorbeikommende Boot philippinische Tänzchen und singen altbekannte Weihnachtslieder. Es gibt ein kleines Dorf gegenüber vom NutsHuts und auf den Hügeln drumherum, und nach dem letzten Touristenboot wird vom Kanu aus mit dem Wurfnetz im Fluss gefischt. Abends schlafen wir, entspannt, geborgen und sorgfältig unter dem Moskitonetz eingepackt, zu den manchmal unheimlichen Geräuschen des Dschungels ein. Das Zimmer teilen wir diese Nacht mit einem sicher 20cm langen Gecko.
Für den nächsten Tag ist unsere Strategie: Verausgabung um anschließend noch besser Entspannen zu können. Also gehts vormittags mit Guide die steilen Hügel hinauf zu einer Fledermaushöhle. Unser Guide führt uns an dem Haus seiner Familie, seinem Kartoffelfeld, seinen Papaya-Bäumen und seiner Hütte auf dem Berg vorbei, und dann kriechen wir in zwei stickige fledermausbewohnte Höhlen hinein. Die längere ist bestimmt 150m tief und immer wieder müssen wir durch enge Löcher krabbeln, die in die nächste, riesige Kammer führen. Fledermäuse flattern um uns herum. Die zweite Höhle ist weniger bewohnt, dafür gibt es skurrile Felsformationen und Stalakniten. Spätestens in der feuchtwarmen Höhle haben wir den letzten trockenen Rest unserer Klamotten komplett durchgeschwitzt.
Auf dem Rückweg gehts an der Zipline vorbei, die genau über dem Wasserfall in 100m Höhe das komplette Tal überquert. Unser Guide meint, wir sollen doch mit der Zipline rüberfahren, aber wir lehnen gerne ab. Vor den Hütten bewundern wir noch ein bisschen die Kampfhähne der Einheimischen (die tatsächlich SEHR prächtig aussehen) und der Guide fragt mich ob wir in Deutschland auch Hahnenkämpfe haben. Anschließend ballern die Dorfjugendlichen (weil Sonntag ist oder weil sie vor Sara angeben wollen) noch mit einem handgeschnitzten Luftgewehr herum und wir machen uns schließlich wieder auf den Weg zum NutsHuts.
Abends, nach der obligatorischen Runde Schwimmen am Wasserfall, kommt dann der Entspannungsteil: Kräutersauna und Massage. Zuerst sitzen wir eine Stunde lang in einem winzigen Palmblatthüttchen, das von einem Holzfeuer und mit Dampf aus einem Dampfkessel mit irgendwelchen Kräutern aus dem Tal vollgepumpt wird. Anschließend gehts rüber zur Massage und danach zum Abendessen mit CubaLibre unter einem atemberaubend prächtigen Sternenhimmel und wieder großartiger Dschungel-Atmosphäre. Das Zimmer teilen wir diese Nacht mit einem Mini-Hundertfüßler, den Sara unter meinem Kopfkissen findet.
Am letzten Tag auf Bohol wollen wir uns die einigermaßen berühmten Chocolate Hills anschauen. Sara und ich sind leider noch zu feige um mit dem Motorrad zu fahren (was für Touristen eigentlich das perfekte Fahrzeug hier ist und auch jeder macht), also laufen wir zur Straße und warten auf den Bus. Die Fahrt ist wiedermal großartig! Der Bus ist auf die üblichen 18 Grad klimatisiert, es gibt Wifi, und zu Saras Freude läuft auf dem Flatscreen eine DVD mit Super-Fliegengewicht-Boxen: die besten Fights von Manny Pacquiao. Vorbei an malerischen Reisfeldern und Dörfern gehts zum Aussichtspunkt über eine Landschaft aus kugelförmigen, grasbewachsenen Hügeln, die sich im Frühling durch die brennende Sonne schokoladenbraun färben. Jetzt sind sie noch grün. Oben erwartet uns eine Schulklasse aus folkloristisch verkleideten Kindern, die ohrenbeträubend ‚Stille Nacht heilige Nacht‘ auf ihren Blockflöten kreischen, es kommt Weihnachtsstimmung auf; ganz wie zu Hause. Die skurril geformten Hügel sollen nach einer wissenschaftlichen These Korallenablagerungen sein, die durch komplizierte chemische Vorgänge vom Regen und Erosion in diese seltsame Form gebracht wurden. Viel zu kompliziert, sagen die Einheimischen, für die die Hügel einfach die auf den Boden gefallenen Tränen eines liebeskranken Riesen sind.
Auf Bohol sieht man immernoch überall die Folgen der zwei schlimmen Katastrophen, die die Insel 2013 heimgesucht haben: zuerst hatte am 15. Oktober ein Erdbeben die Insel erschüttert und nur drei Wochen später wird das Chaos dann erneut vom Taifun Yolanda heimgesucht. Das Erdbeben hat viele historische Kirchen aus der spanischen Kolonialzeit zerstört, die halb verfallen, aber mit Baugerüsten versehen ganz langsam wieder aufgebaut werden. Viele Hütten an den Straßen stehen leer, windschief und zerfleddert am Straßenrand. Nur die Menschen scheinen alles schon ganz gut verkraftet zu haben.
Auf dem Rückweg von den Chocolate Hills sind wir zum ersten Mal auch ‚auf der Straße‘ unterwegs, also fahren wieder mit dem Chicken Bus (und das wortwörtlich, weil die Hähne grade zu ihrem Kampf gefahren werden) und laufen von Loboc zum NutsHuts 4 km am Straßenrand nach Hause. Denn draußen und vor allem an der Straße spielt sich das ganze Leben ab. Hühner und Hunde laufen überall frei herum und Ziegen und Rinder grasen angepflockt am Straßenrand. Auf der Straße ist auf Plastikplanen Reis zum Trocknen ausgelegt. Jeder sitzt mit den Nachbarn vor seiner Hütte und schaut uns interessiert hinterher.
Ich adaptiere meine gute Erziehung und bin gespannt, was passiert. Jeden grüßen wir mit ‚Good Day Sir‘ und ‚How are you, having a great day‘? Vor allem Kinder winken uns gerne zu oder sind aber zu schüchtern. Alte Leute sprechen uns an und wollen wissen, wo wir her kommen, ohne dass wir erkennen können, was man uns andrehen will. Natürlich kommt öfter auch jemand, oder gleich ganz viele Leute auf einen zu und wollen einem was verkaufen. Aber ich habe meine Strategie geändert von ignorieren auf freundlich und respektvoll ’nein Danke‘ sagen oder ‚wir kaufen später nochmal kaltes Wasser‘ oder einfach lachen. Philippinos akzeptieren das und dann kann man sich mit jedem super über alles Mögliche unterhalten. Ein dutzend Jugendlicher sitzen oben auf einem vorbeifahrenden Bus und sind total begeistert, dass ich sie fotografiere und posieren wild.
Wenn wir am Straßenrand laufen und Sara läuft voraus, hupt jedes Motorrad mit Typen drauf, auch wenn gar kein anderer Verkehr da ist. Sie erregt als ziemlich große hellhäutige Westlerin ungewollt viel Aufmerksamkeit und Interesse, aber ohne dass es unangenehm oder zudringlich wird. Kein Mensch begegnet uns mit Misstrauen oder unfreundlich. Alle sind offen, höchstens vielleicht desinteressiert oder unsicher. Es gibt sehr viel Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit Fremden gegenüber. Für Reisende ist das schwierig, weil du woanders ziemlich schnell lernst, dass der Mensch, der dir selbstlos freundlich helfen will, dich zu irgendwas (Taxifahrt, Teppich, Das Hotel seines Onkels, dunkle Gasse) verleiten will.
Für den Moment halte ich einfach mal fest, dass es einen Unterschied zu den Menschen in Deutschland gibt: Wenn du jemanden auf der Straße nett anlächelst und Hallo sagst, lächelt er ganz sicher zurück.
Peter.