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Wären Peter und ich von zehn Jahren auf Weltreise gefahren, hätten wir diesen Ort wahrscheinlich nicht mal ansatzweise gefunden. Phong Nha-Ke Bang ist erst in den letzten fünf Jahren für die Touristenwelt entdeckt worden und immer noch im Aufbau der Infrastruktur für den Tourismus begriffen. In dem kleinen, recht verschlafenen Dorf, wo viele Einwohner noch vom Reisanbau leben, wachsen fleißig Unterkünfte aus den Boden und immerhin gibt es jetzt seit einem Jahr eine direkte Busverbindung von Hué aus.

Aber warum wurde Phong Nha erst so spät entdeckt, wo andere vietnamesische Städte schon lange für den Tourismus etabliert sind? Das hat zwei Gründe: Phong Nha liegt ca. 70km nördlich der DMZ (Demilitarised Zone) und war wichtiger Bestandteil des Ho-Chi-Minh-Pfades. Dementsprechend wurde es mit Teppichbombardements attackiert um den Pfad zu unterbrechen. Viele Blindgänger blieben übrig und machen das Gelände nicht gerade sicher. Noch heute wird im Schnitt einmal im Monat jemand aus Phong-Nha von Blindgängern verletzt oder getötet. Erst in den Neunzigern wurde das Gebiet vom Militär freigegeben und zum Schutzgebiet erklärt. Seitdem konnten auch erst Forscher in die spannende Natur rund um Phong Nha eindringen.
Weil man die Phong Nha Höhle schon kannte, vermuteten Forscher, dass es in der umliegenden Karstlandschaft noch weitere Höhlen geben musste. Und tatsächlich – zwischen 1990 und 2005 wurden einige der größten Höhlen der Welt mit unglaublichen Tropfsteinformationen gefunden. Doch erst seit 2009, mit der Entdeckung der größten Höhle der Welt – Hang Son Doong – fand eine größere Anzahl an Touristen den Weg in diese verschlafene Gegend. Heute sind die Forschungen noch nicht abgeschlossen. Man geht davon aus, dass es noch einige Höhlen mehr gibt, die nur darauf warten entdeckt zu werden.

 

Für unsere Expedition steigen wir in dem etabliertesten Hostel ab, das es in Phong Nha zu geben scheint und das auch das größte im Dorf ist – natürlich mit Pool. Ganz auf junge Backpacker ausgelegt, gibt es natürlich auch entsprechende kulinarische Besonderheiten – „buy one beer get one free“ Happy-hour inklusive… Peter und ich lernen am ersten Abend direkt zwei Münchner und einen Südtiroler kennen, mit denen wir den Abend auf SEHR feuchtfröhliche Art verbringen. Sie wissen eine Menge von Thailand (eins unserer nächsten Reiseziele) zu erzählen und auch sonst haben wir viel miteinander zu reden, allein schon wegen München. Als wir um Punkt 11 von der schließenden Hostel-Bar vor die Wahl gestellt werden – ins Bett gehn oder weiterziehen – gehen wir noch „auf ein Bier“ mit. Die einzige Bar, die noch geöffnet hat, wird von uns in Beschlag genommen und die Besitzer tun mir leid, weil die ganze Truppe schon ziemlich laut ist. Die Rache kommt dann am nächsten Tag – der vietnamesische Rum, zu dem wir uns noch haben einladen lassen, muss echter Sprit gewesen sein, denn Peter und ich kommen bis um 3 Uhr mittags nicht aus dem Bett und sind auch dann für nichts zu gebrauchen – der erste Tag ist schon mal im Eimer.

 

Für die darauffolgenden zwei Tage sind wir dann aber um so motovierter und werden vier Höhlen anschauen: die Phong-Nha-Caves, die Paradise Cave (oder auch Thien Dong) und die Dark Cave (mein schlimmster Schlammtraum).
Die Phong-Nha-Caves sind per Boot über den Son-River erreichbar, der auch durch eine der beiden Höhlen fließt. Der Preis fürs Boot wird günstiger, je mehr Personen mitfahren, deshalb suchen wir uns eine Gruppe zusammen und fahren zu zehnt los. Mit dabei sind unter anderem der schon genannte Südtiroler und eine Deutsche – Mona – mit der wir am nächsten Tag die anderen beiden Höhlen besichtigen. Bei den Phong-Nha-Caves angekommen, steigen wir erst eine steile, nicht enden wollende Treppe hinauf zur älteren der beiden Höhlen, danach geht es im Boot weiter in die jüngere Höhle, durch die der Son-Fluss fließt. Die jüngere Höhle wurde im Vietnamkrieg von den Dorfbewohnern als Versteck für eine Ponton-Brücke benutzt, die nachts für Konvois auf dem Ho-Chi-Minh Pfad die beiden Ufer miteinander verband. Die Amerikaner fanden das irgendwann heraus, konnten die Brücke bzw. den Höhleneingang jedoch nicht zerstören, weil der Anflug  im engen Tal extrem risikoreich war. Man kann am Höhleneingang noch Spuren der amerikanischen Raketen sehen und mehrere US-Jets sollen beim Anflug an den Felswänden zerschellt sein. Im Inneren  lassen sich die Altersunterschiede der beiden Höhlen dann durchaus erkennen – die ältere Höhle hat mehr zusammengewachsene Stalaktiten und Stalakmiten als die jüngere. Dennoch ist es sehr schwer zu beschreiben, wie es so ist, in den Höhlen herumzulaufen. Ich kann sagen, dass es beeindruckend ist und heiß und die Luft sehr feucht ist, aber das beschreibt das Gefühl noch nicht genug. Selbst unsere Bilder können nur einen Eindruck geben, wie es aussieht, aber nicht, wie es sich anfühlt. Trotzdem möchte ich heute (in diesem Artikel) einfach nur die Bilder sprechen lassen, weil Worte da nicht reichen – man muss es selbst erleben.

 

Am späten Nachmittag leihen Peter und ich uns noch zwei Fahrräder aus und fahren ein bisschen aus dem Dorf heraus um eine Idee von der Umgebung zu gewinnen. Es ist eine herrliche Atmosphäre – die Kinder spielen auf der Straße und vor den Häusern, bis das Abendessen fertig ist und winken uns fröhlich zu. Die Hunde machen ihre Abendrunde und die letzen Hühner rennen über die Straße. Und dann kommen sie: dutzende Kühe auf dem Weg von der Weide nach Hause in den Stall. Scheinbar brauchen sie nicht getrieben zu werden – jede weiß genau, in welchen Hof sie einbiegen muss. Und dann sind da noch die letzten Einwohner im Reisfeld zugange, während die Dämmerung einsetzt – es sieht echt idyllisch aus hier!

Der nächste Tag ist dann den beiden Höhlen Paradise-Cave und Dark-Cave gewidmet. Mit Mona zusammen leihen wir uns Motorroller aus und fahren über gewundene Wege des Ho-Chi-Minh Pfads bergauf und bergab durch wunderschönes Karstgebirge. Die Paradise-Cave ist unser erstes Ziel. Bis 2009, als die Hang Son Doong Höhle gefunden wurde, galt die Paradise-Cave als die größte Höhle der Welt und hat in der Umgebung auch den größten touristischen Zulauf. Sie ist um die 31 km lang, mit vielen großen als Kathedrahlen bezeichneten Räumen, aber nur der erste Kilometer ist für Touristen zugänglich. Weitere 7 km kann man noch in einer geführten Tour besichtigen. Im Vergleich zu den Phong-Nha-Caves ist diese Höhle wirklich um ein vielfaches beeindruckender, aber auf eine ganz andere Art und Weise. Diese riesigen Hallen sind einfach unfassbar groß und auch die Tropfsteinformationen sind noch mal ganz anders. Die Bilder zeigen diesen Unterschied ganz gut.

 

Nach einem Mittagessen geht es mit dem Roller weiter zur Dark Cave und zu zwei großen Herausforderungen für mich: Höhe und Schlamm! Die Dark Cave ist ungleich zu den anderen Höhlen nicht besonders schön oder besonders sehenswert. Der Grund, warum so viele Touristen dort hingehen, ist, dass sie total verschlammt ist! Doch um dort hin zu kommen, muss man erst einmal 300m mit einer Zipline über einen Fluss vom einem Ufer zum anderen fahren. Sara und Höhe sind bekannterweise seit jeher keine guten Freunde – aber um in diese Höhle zu kommen, muss ich in den SEHR sauren Apfel beißen! Sagen wir mal so: ich habs überlebt, aber Spaß hat es keinen gemacht… Peter sagt mir hinterher ganz nett, er hat meiner Todesangst direkt in die Augen geschaut, als ich im Seil hing. Nachdem ich mich von meinem Schock erholt habe, geht es auch schon mit Stirnlampe und Bauhelm in die Höhle rein. Nach ein paar hundert Metern beginnt dann der Schlamm – zuerst als harmloses, knöcheltiefes, dünnflüssiges Schmutzwasser, dass dann aber bald immer fester und tiefer wird. Mit ungefähr jedem Schritt muss ich unvermittelt ein „Wääh“ von mir geben, sonst hätte ich den Weg ganz bestimmt nicht geschafft. Die Höhle endet dann in einem großen Schlammteich, der so dickflüssig ist, dass man nicht untergeht, selbst wenn man wollte. Der Schlamm hat ungefähr die Konsistenz von Schokopudding und sieht auch so aus – nur probieren würde ich ihn nicht. Nachdem sich alle aus der Gruppe in Schlammonster verwandelt haben, geht der Weg, jetzt rutschiger, aber mit genausovielen „Wääh“s wieder zurück, wo wir uns in einem kleinen schlammfreien Teich in der Höhle einigermaßen entschlammen. Der Rückweg zum Ausgangspunkt ist dann ganz einfach – mit dem Kajak den Fluss entlang.
Nach einer ausgiebigen Dusche besteigen wir wieder die Roller und fahren nach Hause. Die Dämmerung setzt langsam ein und Mona gibt Gas. An einer Kreuzung treffen Peter und ich auf zwei Holländerinnen, die mit uns zusammen in der Dark Cave gewesen waren – sie haben Probleme mit ihrem Roller, weil das Licht nicht richtig funktioniert. Also eskortieren wir die beiden durch die immer dunkler werdende Landschaft und kommen bei kompletter Dunkelheit im Dorf an. Müde und vom vielen Rollerfahren eingerostet, essen wir noch schnell was und fallen dann direkt ins Bett.