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Nach unserer ersten großen und vor allem langen Busfahrt (6 Stunden von Paraty nach Saõ Paulo, dann 12 Stunden im Nachtbus) kommen wir endlich in Campo Grande an. Weil wir schon wissen, dass wir ins Pantanal wollen und nur eine Nacht in Campo Grande verbringen, haben wir ein sehr billiges Hostel gebucht. Es klingt schon sehr dubios – 40 R$ (ca. 10€) pro Person für ein Doppelzimmer (sonst durchschnittlich um die 70R$) inkl. Abholservice direkt am Busbahnhof.

Wir fallen also aus dem Bus und brauchen nicht lange suchen, da werden wir von Rodrigo, einem zwielichtigen Touristenschlepper angesprochen, der uns zum Hostel bringen wird. Der „Transfer“-Wagen ist ein alter klappriger VW. Auf dem Weg zum Hostel erfahren wir, dass wir gar nicht zum gebuchten Hostel fahren (das wird gerade renoviert), sondern zu einem, dass mit derselben Reiseagentur verbunden ist. Gleichzeitig bekommen wir den passenden Flyer mit dem Angebot einer Pantanal-Tour in die Hand gedrückt. Beim Hostel angekommen, erwartet uns ein ranziges Zimmer mit Weglauf-Charkter. Naja, wir wollen ja nur eine Nacht bleiben und das Zimmer war billig… Den restlichen Tag verbringen wir mit der Suche nach einer geeigneten Pantanal-Reiseagentur, finden auch was schönes mit Abholservice und freuen uns, schnell wieder aus Campo Grande verschwinden zu können. In der Nacht fängt es auch wieder an zu regnen – wir wollen nur noch weg hier.

 

 

Am nächsten Morgen, nach erstaunlicherweise gutem Frühstück mit Rührei, positionieren wir uns vorm Hostel und warten auf unsere Abholung.
Wir warten und warten… Unsere verabredete Zeit ist schon eine halbe Stunde überschritten – naja, das kennt man ja von Südamerika. Da kommt auf den Parkplatz vorm Hostel ein alter klappriger VW gefahren und Rodrigo steigt aus mit zwei verunsichert dreinblickenden Deutschen im Schlepptau. Peter und ich denken uns: Jetzt hat er wieder zwei Touristen in seine Falle gelockt. Wir kommen mit den beiden Jungs ins Gespräch – erfahren, dass sie bei Rodrigos Agentur ihre Pantanal-Tour gebucht haben und hier jetzt auf ihre Abholung warten. Es stellt sich auch heraus, dass ihre Tour günstiger ist als unsere. Wir wünschen uns gegenseitig eine schöne Zeit, sie werden abgeholt, wir bleiben alleine zurück. Rodrigo kommt vorbei und fragt uns aus, bei welcher Agentur wir gebucht haben und wie viel die Tour kosten soll. Als wir ihm beides nennen und sagen, dass wir noch nicht bezahlt haben, sagt er sofort, dass wir bestimmt nicht mehr abgeholt werden und er uns sowieso ein besseres Angebot geben kann. Er rattert runter, was alles in seiner Tour inklusive ist, schenkt uns noch eine kostenlose Extranacht auf der Fazenda dazu und eine kostenlose Nacht im kooperierenden Hostel in Bonito, wenn die Tour vorbei ist. Wir beißen an – unter anderem auch deswegen, weil wir keine weitere Nacht in Campo Grande verbringen wollen. Er bittet uns in sein „Büro“, (eine kleine Nische in der Empfangshalle des Hostels) füllt ein Ticket aus, wir bezahlen und er verschwindet (auf nimmer Wiedersehen, denken wir später schmerzlich). Abgemacht ist, dass wir mittags abgeholt werden um mit einem öffentlichen Bus an die ominöse Haltestelle Buracas das Piranhas, dem Tor zum südlichen Pantanal zu fahren und dann von den Fazenda-Besitzern abgeholt werden. Wir verbringen die Zeit bis dahin in besagter Nische und sehen brasilianisches Fernsehen á la Mittagsmagazin (schrecklich!).

 

 

Besagter Rodrigo, der uns abholen will, kommt nicht zur verabredeten Zeit. Wir fühlen uns zum zweiten Mal an diesem Tag aufs Kreuz gelegt! – nur haben wir dieses Mal die Tour schon bezahlt! Irgendwann kommt dann doch ein Unbekannter, der nur portugisisch spricht und uns in seinem ebenfalls sehr schäbigen Auto zur Bushaltestelle bringt (Die ist nur eine Querstraße weiter). Unsere eh schon gespannte Stimmung sinkt auf den Nullpunkt, als wir (erst auf Nachfrage) erfahren, dass der öffentliche Bus Verspätung hat. Nachdem wir anderthalb Stunden gewartet haben, sind wir mächtig angefressen und überlegen, dass wir wahrscheinlich mitten in der Nacht an dieser komischen Haltestelle stranden werden, weil da bestimmt kein Abholer mehr auf uns warten wird. Also laufen wir wieder zurück zum Hostel und lassen uns von der Rezeptionistin Rodrigo an die Strippe holen – wir wollen unser Geld zurück, eine weitere Nacht im Hostel verbringen und dann so schnell wie möglich am nächsten Tag nach Bonito abhauen!

Rodrigo ist am Telefon sehr überrascht, dass der Bus uns bisher nicht mitgenommen hat und legt sofort auf. Keine fünf Minuten später sitzen wir im richtigen Bus, der in der Zwischenzeit wohl doch endlich an der Haltestelle eingetroffen war und extra für uns noch mal einen Bogen macht und uns direkt am Hostel abholt! Die Insassen haben sich bestimmt gedacht: diese Gringos! Die Busfahrt ist ereignislos und wir sind mächtig erstaunt, dass auch das Abholen in Buracas das Piranhas, gefühlt mitten in der Nacht, im sumpfigen Nirgendwo, nahtlos klappt. Nach einer weiteren Stunde auf der Ladefläche eines Touri-Jeeps, der in irrem Tempo über die holprige Schotterstraße schlingert, kommen wir mächtig durchgefroren und müde an der Fazenda an und fallen nur noch ins Bett. Das Frühstück am nächsten Morgen beginnt mit einem großen Hallo mit den anderen beiden deutschen Jungs – wir vier sind die einzigen Gäste. Am nächsten Tag kommen dann doch noch zwei Briten und eine 14-köpfige belgische Reisegruppe. Mit den Briten und den anderen Deutschen bilden wir für unsere Touren eine nette Sechsergruppe, die Belgier bleiben unter sich.

 

 

Auf dem Programm steht für die nächsten zweieinhalb Tage viel Wandern im sumpfigen Dschungel und dabei Wildtiere beobachten. Das Pantanal zeigt sich dabei am ersten Tag noch von seiner grauen und regnerischen Seite. Offene verwilderte Weideflächen und Wälder aus Palmen und Brasil-Bäumen wechseln sich ab. Schon auf der Farm fliegen große blaue Aras herum, unterwegs sehen wir dann Tukane, den riesigen Pantanal-Storch, verschiedene kleinere Papageien und die ersten Brüllaffen. Auf einer Palme klettert ein kleiner Ameisenbär herum. Unser Guide spricht leider nur spanisch und portugisisch und gibt sich auch sonst ziemlich zurückhaltend, aber später lernen wir noch viel von ihm über das leben im Sumpf und wie man sich auf einer Farm im Dschungel so über Wasser hält: man geht Piranhas angeln!

Wirklich alle Tiere lassen sich aber auch direkt auf der Farm schon beobachten: nachts grasen Capivaras (das sind die lustigen Riesen-Meerschweinchen) direkt unter unserem Zimmerfenster, im Teich dahinter leben drei Kaimane, die wir mit tiefgefrorenen Piranhas anlocken und an der Nase herumführen. Der Guide der belgischen Gruppe zerrt irgendwo eine 2 Meter lange Anakonda aus dem Gebüsch, die sie mit zur Farm tragen, sich gegenseitig mit Anakonda auf der Schulter fotografieren, um das Biest (zu Peters Schrecken) dann irgenwo hinter unserem Wohnhaus wieder laufen zu lassen. Wir sind überall mitten drin, ohne irgendwelche Gitterstäbe dazwischen und lernen also: Piranhas beißen in Angelhaken aber nicht in menschliche Füße im Wasser, Kaimane schnappen lieber nach frischen Piranhas und auch Anakondas wollen nicht jeden würgen. Das gefährlichste  Tier, das uns sofort attackiert sobald man an der falschen Stelle stehen bleibt sind Ameisen, die dir zu hunderten am Bein hochkrabbeln um dir noch 10 Minuten später in den Hintern zu beißen.

 

Am zweiten Tag machen wir eine Bootstour, bei der wir abwechselnd Kaimane und Wasserscheine sehen und mit dem Boot verscheuchen. Die beiden deutschen Jungs springen bei einem Bade-Stop ins Kaiman-verseuchte Wasser und schwimmen zum andern Ufer. Peter, ich und die beiden Briten trauen uns nicht. Um uns herum sind wirklich dutzende Kaimane, und obwohl unsere beiden Guides meinen, es sei völlig ungefährlich schwimmen zu gehen, lachen beide dreckig und filmen das Ganze mit ihren Handys.

Nachmittags und am nächsten morgen gehen wir angeln. Beide Male schneidet der Guide von einer bestimmten Palme die Zweige ab, entblättert sie und befestigt Angelschnur und Haken daran. Die Beute, die wir machen, gibt es abends frittiert zum Abendessen (leider sehr grätenreich und nicht besonders lecker). Die Beute vom letzen Morgen (darunter auch einige Piranhas) verfüttern wir an die „Haus-und-Hof-Kaimane“, die im Teich vor der Fazenda wohnen.

Als wir zurück fahren und in Bonito ankommen, nutzen wir unsere freie Nacht im Partnerhostel, das wunderbar eingerichtet ist und können unser Glück einfach nicht fassen und lachen darüber, dass wir nach einem solchen anfänglichen Misstrauen und Ärger eine so schöne Tour für so wenig Geld hatten!

2 thoughts on “Im Zoo ohne Gitter: Pantanal

  1. Hallo Sara und Peter,
    jeden Tag denke ich an Euch und verfolge Eure Abenteuer.
    Wie wollt Ihr das nur durchhalten so lange Zeit?
    Passt nur auf, dass Ihr nicht von Krokodilen gefressen werdet und
    bleibt gesund.
    Ich wünsche Euch aber trotzdem noch eine gute und erlebnisvolle
    Zeit

    Mimi

  2. Herrlich, einfach spannend zu lesen, als wäre man dabei. Obwohl, ne heute wäre ich nicht mehr bereit das mitzumachen, aber in eurem Alter, jaaaaa , ganz bestimmt. Erlebt es für uns mit, danke für die Geschichten einer Weltreise. Ich mag es. LGute

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