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Unsere Ankunft in Bangkok beginnt mit einem Alptraum: Irgendetwas scheint nicht zu stimmen, denn im Halbschlaf schaue ich aus dem Flugzeugfenster, und gefährlich nahe rasen im Dunkeln die Hochhäuser von Bangkok unter uns vorbei. Das Flugzeug scheint in eine tiefe Hochhausschlucht einzutauchen, und während ich panisch die halb beleuchteten Fenster in Augenhöhe an uns vorbeifliegen sehe, wird mir klar, dass das Flugzeug jetzt abstürzt und gleich alles vorbei sein wird mit uns. Ich überlege noch, ob ich mich an die Sara klammern und weinen soll oder aus dem Fenster schauen, weil man ja nie so einen Flugzeugabsturz selbst bestaunen kann, aber dann bin ich schon so wach dass mir klar wird, dass das Flugzeugfenster nur das Busfenster ist, und wir zwar tatsächlich mir irrer Geschwindigkeit über irgendeine Stadtautobahn in Bangkok brettern und tatsächlich 20-stöckige Hochhäuser an uns vorbeirasen, aber bestimmt nicht gleich draufgehn werden.

Ich bin beruhigt und werde langsam ganz wach und die Realität stellt sich allmählich ein: wir sitzen im Bus nach Bangkok, es ist halb 4 Uhr nachts, ich bin total übermüdet und alles tut weh vom Schlafen in dem unbequemen Bussitz. Draußen rast eine völlig fremde, riesige asiatische Großstadt vorbei, ein Moloch aus Slums, Hochhäusern, Müll, Autobahnen, Verkehrsgewirr, Orientierungslosigkeit, Hilflosigkeit, Angst. Wir sind gleich da und werden aus dem warmen, bequemen, sicheren Bus geworfen, in die Arme der üblichen Heerschar zwielichter und aufdringlicher Tuktuk-Fahrer, und müssen uns unseren Weg suchen zur berüchtigten Khao San Road, in irgendein Hotel, das hoffentlich noch ein Zimmer frei hat, wo wir hoffentlich möglichst bald weiterschlafen können. Es stellt sich also, ganz zum Schluss, nochmal eine klassische, fürchterliche Kulturschock-Situation ein, mutterseelenallein, mitten in der Nacht in irgendeinem wildfremden Land, total kaputt und müde.

Kurze Zeit später hält der Bus dann an irgendeiner 4-spurigen Straßenkreuzung und spuckt uns aus in die Nacht und in die Arme der dutzenden Tuktuk-Fahrer. Unsere Fünf-Reise-Sinne sind wieder da und während sich alle anderen Touristen auf die bereitstehenden TukTuks verladen lassen, schlurfen wir müde mit einem andern deutschen Pärchen in die menschenleere Stadt davon. Ziemlich schnell finden wir die Richtung und erreichen dann unser Ziel: die Khao-San-Road. Wir laufen um vier Uhr nachts durch eine Legende: diese dreckige, unter tausendfachem Neonlicht verheißungsvoll erstrahlende, wirr verbaute Straße in Bangkok ist der Anfang und die erste Station von tatsächlich Millionen Rucksackreisen, das Tor zu Südostasien für jeden Westler, der keine Pauschalreise gebucht hat, der Startpunkt des Banana Pancake Trails, das hier ist definitiv nichtmehr in Kansas oder Frankfurt. Auf den Bürgersteigen sitzen betrunkene Europäer, und die letzten Bars scheinen gerade zu schließen. Wir schieben uns mit dem andern Pärchen zwischen den Mülltonnen und Betrunkenen zu verschiedenen Hostels durch, aber haben wenig Glück: alles ist ausgebucht. Die anderen zwei versuchen schon, uns abzuschütteln, um alleine bessere Chancen auf irgendein letztes Zimmer zu haben. Unsere Landsleute sind leider nicht gerade sehr solidarisch. In der Rambuttri Alley nabenan haben wir dann aber doch Glück, wir fallen totmüde ins Bett während draußen die Sonne über Bangkok aufgeht, die letzte Musik verstummt und das normale asiatische Leben auf der Straße erwacht.

 


So gegen Mittag sind wir wieder auf den Beinen und drehen eine Runde im Pool, dann gehts zum Mittagessen zu – McDonalds. Als nächsten (und einzigen) Punkt der Tagesordnung steht Shopping auf dem Programm, und wir verlieren uns komplett und stundenlang in dem unvergleichlichen Labyrinth aus Straßenständen, engen verzweigten Einkaufspassagen, Massagesalons, Bars und Restaurants. Zu Kaufen gibt es tatsächlich alles von Schmuck über T-Shirts und Maßanzügen, Raubkopierte DVD’s, Nippes, bis hin zu Straßenessen und Tätowiersalons. Das Chaos ist perfekt und unsere 100 Euro Budget für Andenken sind unmöglich komplett an einem Tag zu verballern. Zur Erholung gehts nochmal an den Pool auf der Dachterasse und dann wollen wir abends noch ein letztes Mal mit dem restlichen Geld richtig ausrasten! Wir gehen erstmal asiatisch essen und tingeln dann durch die Bars, aber die fiese Reise über Nacht und der kurze Schlaf sitzt uns noch in den Knochen und wir sind ziemlich fertig. Trotzdem finden wir in unserer Straße eine großartige Bar mit der augenscheinlich besten AC/DC-Coverband, die ganz Asien zu bieten hat. Wir haben noch ziemlich viel Spass, bis wir leider viel zu früh nurnoch ins Bett fallen können.

 

Unseren letzten Tag der Reise verbringen wir mit letztem Andenkenshopping und den unweigerlich letzten Vorbereitungen. Der Bus zum Flughafen geht irgendwann um Mitternacht, wir gehen also essen und warten und schauen den Heerscharen an frischen Backpackern zu, die alle in eine andere Richtung laufen als wir: dem Abenteuer entgegen. Es ist wie ein Tag im Transitbereich Südostasiens. Dann kommt der Bus und die riesige Stadt zieht nochmal grell leuchtend am Fenster vorbei. Am Flughafen gibts von den wirklich letzten Bath Eiskaffee und als das Flugzeug kommt, sind wir froh, bald zu Hause zu sein.

 

Die letzten Meter nach Hause werden dann nochmal unerwartet heftig: Frankfurt erwartet uns mit einem Sturm. Als das Flugzeug aus strahlendem Blau in die Wolkendecke eintaucht, erkennt man schon am stumpfen Grau vor dem Fenster, dass wir zu Hause sein müssen. Aber es ist noch nicht geschafft. Das Flugzeug wird unvermittelt hin- und hergeworfen, aber der Pilot schaltet schonmal die Landekameras des A380 ein, die aus wirklich allen Winkeln die Landung von außen auf die Passagiermonitore übertragen. Der Pilot rauscht noch irgendwas von ‚harter Landung‘ ins Kabinenmikrofon, da kommt über die Kamera unter dem Flugzeugrumpft Land in Sicht: Alles steht quer, wir werden wild durchgeschüttelt, und mit dem Blick auf den unweigerlich herannahenden Boden wird mir ziemlich flau im Magen. Die Landebahn kommt irgendwo weit links am unteren Bildrand in Sicht, als wollte der Pilot lieber auf der A3 landen. Das Flugzeug wird in gefühlten 30 Metern Höhe nochmal heftig nach unten gedrückt und man hört tatsächlich alle Passagiere mit Schnappatmung aufstöhnen. Dann dreht der Pilot die Nase doch noch vom Terminal weg in Richtung Landebahn und das Flugzeug fällt wie eine Gehwegplatte auf den Asphalt.
Beim Aussteigen schauen wir noch einen Moment von der Gangway auf das riesige Flugzeug, das uns nach Hause gebracht hat. Wir fragen jemanden, ob er ein Foto von uns machen kann, als würden wir vor dem Eiffeltum stehen. Es ist eigentlich der Moment, wo sich unsere Linie um die Welt tatsächlich zu einem Kreis schließt, aber so pathetische Stimmung kommt natürlich nicht auf. Aber diesen einen Moment lang sind wir noch ganz allein für uns und schauen ein bisschen in den grauen Regen da draußen. Als könnten wir auch einfach immer weiter um die Welt fliegen. Es ist ein verlegener und ziemlich trauriger Abschied von unserem großartigen Leben unterwegs, auf der Straße, und tatsächlich wartet hinter der nächsten Tür ein völlig neues, anderes Leben auf uns.

Hinter der Tür warten mit großem Hallo unsere Familien in Fassnachtskostümen auf uns und wir freuen uns riesig, wieder zu Hause zu sein. Mit der S-Bahn gehts nach Mainz, immerhin ist Rosenmontag und wir wollen zum 50ten Breitengrad. Wir laufen, noch fremd wie Außerirdische, durch die Straßen und Sara und ich atmen die kalte, befreiend klare Luft ein wie Verdurstende, die in der Wüste ein frisch gezapftes Pils trinken. Die Menschenmassen strömen um uns, auch wenn der Umzug wegen dem Sturm ausgefallen ist. Wir sind tatsächlich wieder zu Hause, wir sind stolz und glücklich und haben unsere ‚finest hour‘: in unseren Herzen schneit es Konfetti.

 

Peter.